“Die rechte Kunst”, rief der Meister aus, “ist zwecklos, absichtlos! Je hartnäckiger Sie dabei bleiben, das Abschießen des Pfeils erlernen zu wollen, damit Sie das Ziel sicher treffen, um so weniger wird das eine gelingen, um so ferner das andere rücken. Es steht Ihnen im Wege, daß Sie einen viel zu willigen Willen haben. Was Sie nicht tun, das, meinen Sie, geschehe nicht.”

 

“Aber Sie selbst haben doch oft genug gesagt”, warf ich ein, “Bogenschießen sei kein Zeitvertrieb, kein zweckloses Spiel, sondern eine Angelegenheit auf Leben und Tod.”

 

“Dabei bleibe ich durchaus. Wir Bogenmeister sagen: Ein Schuß – ein Leben! Was dies bedeutet, können Sie jetzt noch nicht verstehen, aber vielleicht hilft Ihnen ein anderes Bild, welches dieselbe Erfahrung ausdrückt. Wir Bogenmeister sagen: mit dem oberen Ende des Bogens durchstößt der Bogenschütze den Himmel, am unteren Ende hängt, mit einem Seidenfaden befestigt, die Erde. Wird der Schuß mit starkem Ruck gelöst, besteht die Gefahr, daß der Faden zerreißt. Für den Absichtlichen und Gewalttätigen wird die Kluft endgültig, und der Mensch verbleibt in der heillosen Mitte zwischen Himmel und Erde.”

 

“Was habe ich also zu tun ?” fragte ich nachdenklich.

 

“Sie müssen das rechte Warten erlernen.”

 

“Und wie erlernt man das ?”

 

“Indem Sie loslassen von sich selbst, so entschieden sie sich selbst und all das Ihre hinter sich lassen, daß von Ihnen nichts mehr übrigbleibt als das absichtslose Gespanntsein.”

 

“Ich soll also mit Absicht absichtslos werden”, entfuhr es mir.

 

“So hat mich noch kein Schüler gefragt, und ich weiß daher die rechte Antwort nicht.”

 

“Und wann beginnen wir mit diesen neuen Übungen ?”

 

“Warten Sie, bis es an der Zeit ist!”

 

Zen in der Kunst des Bogenschiessens von Eugen Herrigel (1948).